REINHARD KARDINAL MARX  ERZIBISCHOF VON MÜNCHEN UND FREISING Hirtenbrief zum Beginn der Österlichen Bußzeit 2017 ,,Auf der Suche nach Gott” Liebe Schwestern und Brüder, die Frage nach Gott gehört zu den großen Fragen der Menschheit. Seit es Menschen gibt, suchen sie nach etwas, das über sie selbst hinausgeht, suchen Antworten auf die Frage, woher sie kommen und wohin sie gehen. Die Gottesfrage ist der Anfang und das Zentrum aller Religionen. Wenn wir das Wort „Gott” aussprechen, kommen in unserem Herzen, in unserer Phantasie, in unserer Vorstellungskraft verschiedene Bilder und Empfindungen nach oben. Haben sie etwas zu tun mit der Wirklichkeit Gottes? Können sie uns Auskunft geben darüber, wer Gott ist? Sicher nicht! Denn Gott ist kein Teil der Welt, nicht die Verlängerung unserer Wünsche und Ideen. Er ist eben ganz anders. Und doch bleibt diese Suche, die Offenheit des Menschen für das Geheimnis, das mit dem Wort Gott umschrieben wird. Ja, die Neugierde nach dem Unzerstörbaren, Endgültigen und Ewigen verschwindet nicht. Kann es dennoch einen Weg der Begegnung zwischen Gott und Mensch geben? Wie ist ein Weg denkbar? Wir glauben, dass es diesen Weg gibt in der Gestalt Jesu von Nazareth und nur in ihm. Wir können Gott mit unseren Anstrengungen und Vorstellungen nicht erreichen. Er aber kann uns erreichen und stellt uns im Leben Jesu Christi vor, wie er verstanden werden will. Für uns ist klar: Als Christen können wir nicht von Gott reden ohne von Jesus zu reden. Wir können keinen Weg finden, wenn wir ihn, Jesus von Nazareth, seine Worte und sein Handeln, ausklammern oder übersehen. Nur in einer intensiven Beschäftigung mit dem Leben und Wirken Jesu von Nazareth, in einer tiefen und freundschaftlichen Begegnung mit ihm eröffnen sich für uns die Wege in das unaussprechliche Geheimnis Gottes, das größer ist als alles, was wir denken können. Und Jesus hat diesen Gott seinen Vater genannt. Vor einigen Jahrzehnten noch galt als ausgemacht, dass Religionen langsam verschwinden werden. Als These galt: Je aufgeklärter und moderner eine Gesellschaft wird, umso weniger werden die Gottesfrage und die Religion eine Rolle spielen. Und manche Statistiken scheinen dem Recht zu geben. Aber die Diskussionen über Gottesbilder und die Wirklichkeit der Religionen sind keineswegs zu Ende. Im Gegenteil. In unserem Land leben mittlerweile viele Muslime, sie sind zum Teil seit vielen Jahren unsere Mitbürgerinnen und Mitbürger. Auch dadurch ist Religion in unseren Kindergärten, Schulen und im gesellschaftlichen Leben neu zum Thema geworden. Dass sich Terroristen weltweit und auch bei uns als Kämpfer im Namen des Islam bezeichnen, fordert uns, aber auch die gläubigen Muslime heraus. Die scharfe Ablehnung dieser Gewalttäter darf ja nicht zur Ablehnung, ja zum Hass gegen Menschen führen, die mit uns zusammen in diesem Land leben und arbeiten oder in großer Not zu uns gekommen sind. Gerade deshalb ist es wichtig, unsere eigene christliche Überzeugung immer wieder neu zu leben und ins Gespräch zu bringen, denn von einem Verschwinden der Religionen kann keine Rede sein. Neu stellt sich aber die Herausforderung: Was bedeutet es, an Gott zu glauben? Wie können wir als Christen in der größeren Vielfalt von Religionen und Weltanschauungen, Glauben und Unglauben, in unserer Gesellschaft neu die Faszination des christlichen Bekenntnisses entdecken und bezeugen? Ich hoffe, dass uns diese Debatten - die öffentlich geführt werden, aber auch in unseren Familien, unter Freunden und in unseren Pfarreien - neu in Bewegung bringen und ermutigen, unseren Glauben zu leben. Erst dann können wir auch in einen guten Austausch und Dialog mit allen Menschen guten Willens, ob gläubig oder suchend oder einer anderen Religion folgend, eintreten. Und das wollen wir! Wenn wir als Christen von Gott reden, kommen wir an Jesus nicht vorbei. Er ist der Maßstab unserer Rede von Gott. In ihm wird deutlich, was das unterscheidend christliche Bekenntnis ist. Das heutige Evangelium zu Beginn der Österlichen Bußzeit kann uns dazu einige Hinweise geben. Jesus ist in der Wüste und ringt um sein Verständnis von Gott, um seinen Auftrag. In der ersten Versuchung wird Jesus aufgefordert, ein politischer Messias zu werden. Ein Sozialrevolutionär, ein Diktator der Menschen, der aus Steinen Brot macht und so alle Probleme löst, aber damit auch die Freiheit aufhebt. So will Gott nicht wirken und so soll das Verhältnis Gottes zum Menschen nicht aussehen. Jesus wird sehr viel sagen, was auch Auswirkungen hat auf Politik und Gesellschaft, aber er wird sich wehren gegen eine politische Vereinnahmung Gottes. Durchaus belletristisch dürfen wir fragen: Sind die Christen, ist die Kirche in der Geschichte immer intensiv genug dieser Versuchung entgegen getreten? Die zweite Versuchung möchte Jesus zeigen als großen Wundertäter, der durch machtvolle Zeichen das Eingreifen Gottes in die Geschichte sichtbar macht. Er soll einen allmächtigen Gott vor Augen führen, der durch Überwältigung überzeugt und den Glauben herbeizwingt. Auch so will Gott seinen Weg mit uns nicht gehen. Die dritte Versuchung treibt alles auf die Spitze, Um die Welt zu beherrschen, soll Jesus den Teufel selbst anbeten. Was bedeutet das? Es heißt: die Welt unterwerfen durch Gewalt, Hass, Ausbeutung und Tod. Jesus widersteht auch dieser Versuchung. Niemals darf im Namen Gottes Gewalt ausgeübt werden. Man kann Gott nicht bezeugen mit Mitteln, die uns der Teufel in die Hand gelegt hat! Auch da dürfen wir fragen, uns selbst und in die Geschichte der Kirche hinein: Waren wir immer widerständig genug gegenüber dieser Versuchung? Denn auch so will Gott nicht gesehen werden und seinen Weg mit uns nicht gehen. Liebe Schwestern und Brüder, gerade heute, in einer Zeit der neuen Diskussionen über den Inhalt und die Rolle der Religionen in unserer Gesellschaft, sollten wir Christen uns neu auf den Weg machen, unsere eigene Identität entdecken, die nur von der Person, von den Worten und vom Leben und Handeln Jesu her verstanden werden kann. Wenn wir von Gott reden, wenn wir ins Gespräch und in den Dialog mit anderen Religionen und Glaubensüberzeugungen eintreten, dann tun wir es im Blick auf Jesus Christus. Er ist das „Bild des unsichtbaren Gottes” (Kol 1,15). Er ist ,,der Weg, die Wahrheit und das Leben” (Joh 14,6). Mit ihm können wir uns immer neu auf den Weg machen in das große Geheimnis Gottes hinein. Bei ihm lernen wir, wer Gott für uns sein will. Ich wünsche Ihnen von Herzen eine gesegnete und geistlich fruchtbare Österliche Bußzeit und bin mit Ihnen im Gebet verbunden. Ihr Reinhard Kardinal Marx Erzbischof von München und Freising München, im Januar 2017
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